Nordamerika

Konservative Texaner planen Referendum zum Austritt aus den USA und für einen unabhängigen Staat

Bereits von 1836 bis 1845 gab es eine unabhängige "Republik Texas". Immer wieder forderten seitdem Konservative des zweitgrößten Teilstaates der USA von Washington, D.C. die Unabhängigkeit. Nun forciert der republikanische Abgeordnete Kyle Biedermann ein Unabhängigkeitsreferendum.
Konservative Texaner planen Referendum zum Austritt aus den USA und für einen unabhängigen StaatQuelle: Reuters © CALLAGHAN O'HARE

Nicht nur in Texas sind viele US-Amerikaner mit der – verstärkt durch die Corona-Krise – immer mehr Freiheiten beschränkenden Bundesregierung in Washington, D.C. unzufrieden. Gerade die Masken- und Impfkampagne des neuen US-Präsidenten Biden ist zahlreichen US-Amerikanern im konservativen, aber freiheitsliebenden Süden der USA ein Dorn im Auge. Doch wird der Widerstand gegen den übergriffigen, bürokratischen Anstaltsstaat – nach Friedrich Nietzsche das "kälteste aller kalten Ungeheuer" – jetzt konkret.

So hat Kyle Biedermann, ein Abgeordneter der Republikaner im Repräsentantenhaus von Texas, seinen sezessionistischen Gesetzentwurf vor wenigen Tagen vorgelegt. Der aus dem zentraltexanischen Fredericksburg stammende Biedermann, der in Texas das Erbe seiner deutschen Vorfahren mit alljährlichen Faschingsfesten zelebriert und "politische Korrektheit" gern ad absurdum führt, strengt ein Referendum über die Frage an, ob "Texas die Vereinigten Staaten von Amerika verlassen und eine unabhängige Republik gründen" solle.

Darüber sollten die Texaner am 2. November abstimmen können. Biedermann setzt auf die einfachen Leute, die von der Gängelung durch die weit entfernte Zentralregierung die Nase voll haben. Nicht zuletzt war auch Biedermann – wie viele seiner Anhänger – beim "Sturm auf das Kapitol" in der US-Hauptstadt beteiligt. Nach dem Motto "Bis hierhin und nicht weiter" drangen Trump-Anhänger am 6. Januar in Washington bis ins Kapitol vor – in jener Stadt, deren Namen Biedermann heute mit korrupten, volksfernen Eliten verbindet. Parallele Sichtweisen zu Donald Trump sind unverkennbar. Auch der wollte den Washingtoner Lobbyisten-"Sumpf" austrocknen.

Denn, so Biedermann, die Staaten Kalifornien und New York seien

"schon kaputt. Texas ist noch nicht kaputt. Wir wollen nicht kaputtgehen."

Er sieht sich dabei in der Tradition der US-amerikanischen Gründungsväter, die sich gegen die britische Monarchie erhoben:

"Wir führten Krieg gegen die Briten, und gewannen natürlich [mit der Folge von] wenig Macht für den Bund, viel Macht für das Volk und die [Einzel]Staaten. [...] Wer heute nicht gegen die tyrannische Bundesregierung aufsteht, ist unamerikanisch." 

Biedermanns Gesetzentwurf HB 1359 ist überschrieben mit "Über den Vorschlag eines Referendums an das Volk des Staates Texas über die Frage, ob dieser Staat die Vereinigten Staaten von Amerika verlassen und eine unabhängige Republik gründen soll". Konkret strebe man eine eigene Besteuerung und Währung an sowie zahlreiche bilaterale Regelungen mit den USA. Biedermann weiß, wie er seine Anhänger mobilisiert, die stolz auf das ehemals unabhängige Texas sind:

"Würden wir heute den USA beitreten, wären wir ein eigenes Land? Nein, natürlich nicht. Warum sollten wir uns dieser todgeweihten Bundesregierung anschließen, die uns unsere Rechte wegnimmt?"

Sein Gesetzentwurf sieht zunächst keinen direkten "Texit" vor, letztendlich solle darüber aber sowieso das Volk, nicht der Kongress in Austin entscheiden. Biedermann setzt sich für ein Texas-Unabhängigkeits-Komitee ein, das eine "Republik von Texas" entwerfen soll:

"Das Gesetz ist etwas ganz Besonderes. Es kommt vom Volk, nicht von Politikern, nicht von Lobbyisten."

Unterstützung bekommt Biedermann von Daniel Miller. Der Präsident der texanischen Nationalisten kämpft schon seit Jahrzehnten für ein unabhängiges Texas und hat fast eine halbe Million Unterstützer. Miller schrieb vor zehn Jahren ein Buch, das sein Lebensmotto als Titel trägt: "Texit. Why and How Texas Will Leave The Union". Mit dem neuen Präsidenten Biden gibt es nun eine weitere Polarisierung zwischen den Fronten, so Miller: 

"Bidens Wahlversprechen sind klar. Er nimmt Texas ins Visier, unsere Wirtschaft, unseren Lebensstil. Biden attackiert die Rede- und Religionsfreiheit, das Recht, Waffen besitzen und tragen zu dürfen."

Ob Biedermanns Gesetzentwurf überhaupt bis ins Plenum des texanischen Kongresses gelangt, steht noch in den Sternen. Das Establishment der Republikaner wolle ein Referendum verhindern. Auch dem hat Miller nun den Kampf angesagt:

"Entweder Ihr gebt uns ein Referendum über den Texit 2021 oder Ihr bekommt ein Referendum über Euch 2022.[...] Wenn die Abstimmung morgen wäre, lägen die Texit-Befürworter mit 10 bis 15 Prozentpunkten vor den Gegnern."

Der Politikwissenschaftler Jim Henson von der University von Texas am "College of Liberal Arts" hält das alles für heiße Luft. "Absurd" nennt er die Texit-Pläne, "ich nehme das nicht ernst". Der Texit sei eine Schwärmerei randständiger Konservativer.

"Das hat keinen Einfluss auf Führung und Politik [...] Niemand erwartet das, es ist komplett unrealistisch."

Doch Experten wie Henson hatten sich bereits beim Brexit und vor der Wahl Donald Trumps verrechnet. Wie wichtig den Texanern die Selbstbestimmung ist, zeigt das Handeln des republikanischen Gouverneurs von Texas, Greg Abbott. Seit vorletztem Mittwoch wurden die Maskenpflicht und alle Kapazitätsgrenzen für Restaurants und andere Betriebe in seinem Bundesstaat aufgehoben.

Auch der republikanische Gouverneur von Mississippi, Tate Reeves, erklärte alle Anordnungen zum Tragen von Masken und Kapazitätsgrenzen für Restaurants und Firmen letzte Woche für beendet. Auch ihr Parteikollege, der ehemalige US-Präsident Trump, empfand das Tragen von Masken als eher "eher lästig" und veranlasste im Gegensatz zu seinem Nachfolger Biden nur wenige staatliche Vorschriften diesbezüglich.

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